Web 2.0 ist ein Schlagwort, das für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets, speziell des World Wide Webs, verwendet wird. Dabei konsumiert der Nutzer nicht nur den Inhalt, er stellt als Prosument selbst Inhalt zur Verfügung. Der Begriff postuliert in Anlehnung an die Versionsnummern von Softwareprodukten eine neue Generation des Internets und grenzt diese von früheren Nutzungsarten ab. Die Verwendung des Begriffs hat jedoch seit den 2010er Jahren zugunsten des Begriffs Social Media abgenommen.[1]
Der Begriff Web 2.0 wurde im Dezember 2003 in der US-Ausgabe „Fast-Forward 2010 – The Fate of IT“ der Zeitschrift CIO in dem Artikel „2004 – The Year of Web Services“ von Eric Knorr, Chefredakteur des IDG Magazins InfoWorld, erstmals gegenüber einer breiten Öffentlichkeit erwähnt.
“An increase of outsourcing with web services is nothing less than the start of what Scott Dietzen, CTO of BEA Systems, calls the Web 2.0, where the Web becomes a universal, standards-based integration platform. Web 1.0 (HTTP, TCP/IP and HTML) is the core of enterprise infrastructure.”
„Eine vermehrte Ausgliederung mit Netzdiensten ist nicht weniger, als der Anfang davon, was Scott Dietzen, Technischer Direktor von BEA Systems, das Web 2.0 nennt, wodurch das Netz eine universelle, standardbasierte Integrationsplattform wird. Das Web 1.0 (HTTP, TCP/IP und HTML) ist der Kern geschäftlicher Infrastruktur.“
2004 wurde der Begriff auch von Dale Dougherty und Craig Cline verwendet und erhielt nach dem Artikel „What is Web 2.0“ von Tim O’Reilly vom 30. September 2005[3] erhebliches Medienecho, auch außerhalb des englischen Sprachraumes. Der Begriff ist jedoch umstritten und wird beispielsweise von Tim Berners-Lee, dem Begründer des World Wide Web, kritisch gesehen. Tim O’Reilly definierte den Begriff Web 2.0 im Jahr 2006, ähnlich Eric Knorr oder Scott Dietzen. O’Reilly beschrieb Web 2.0 als eine Veränderung in der Geschäftswelt und als eine neue Bewegung in der Computerindustrie hin zum Internet als Plattform.
“Web 2.0 is the business revolution in the computer industry caused by the move to the Internet as a platform, and an attempt to understand the rules for success on that new platform.”
„Das Web 2.0 ist die Geschäftsrevolution in der Computerindustrie, hervorgerufen durch die Verlagerung ins Internet als Plattform, und ein Versuch, die Regeln für den Erfolg auf dieser neuen Plattform zu verstehen.“
Der Begriff Web 2.0 bezieht sich neben spezifischen Technologien oder Innovationen wie Cloud Computing primär auf eine veränderte Nutzung und Wahrnehmung des Internets.[5] Die Benutzer erstellen, bearbeiten und verteilen Inhalte in quantitativ und qualitativ entscheidendem Maße selbst, unterstützt von interaktiven Anwendungen. Um die neue Rolle des Nutzers zu definieren, hat sich mittlerweile der Begriff Prosument (englisch Prosumer) durchgesetzt. Die Inhalte werden nicht mehr nur zentralisiert von großen Medienunternehmen erstellt und über das Internet verbreitet, sondern auch von einer Vielzahl von Nutzern, die sich mit Hilfe Social Software zusätzlich untereinander vernetzen.[6] Im Marketing wird versucht, vom Push-Prinzip (Stoßen: aktive Verteilung) zum Pull-Prinzip (Ziehen: aktive Sammlung) zu gelangen und Nutzer zu motivieren, Webseiten von sich aus mitzugestalten.
Der Begriff grenzt die interaktiven Nutzungsarten von einem – nachträglich so genannten – Web 1.0 ab, in dem es nur wenige „Bearbeiter“ (Personen und Organisationen, die Inhalte für das Web erstellten oder Informationen bereitstellten), aber zahlreiche „Benutzer“ (Konsumenten, welche die bereitgestellten Inhalte passiv nutzten) gegeben hat.
Zu Beginn bestand das Web vor allem aus statischen HTML-Seiten, von denen viele für längere Zeit unverändert ins Netz gestellt und nur gelegentlich überarbeitet oder in größeren Zeitabständen ausgetauscht wurden. Damit sich Seiten auch von mehreren Menschen effizient bearbeiten und verwalten lassen, sind Content-Management-Systeme und aus Datenbanken gespeiste Systeme entwickelt worden, die während der Laufzeit die Inhalte von Seiten dynamisch (nicht zu verwechseln mit Dynamic HTML) austauschen oder neue Inhalte einzusetzen helfen.
Folgende Entwicklungen haben ab etwa 2005 aus Sicht der Befürworter des Begriffs zur veränderten Nutzung des Internets beigetragen:
Als Dale Dougherty (O’Reilly Verlag) und Craig Cline (MediaLive) gemeinsam eine Konferenz planten, betonte Dougherty, das Web sei in einer Renaissance, bei der sich die Regeln und Geschäftsmodelle verändern. Er stellte eine Reihe von Vergleichen an: „DoubleClick war Web 1.0; Google AdSense ist Web 2.0. Ofoto war Web 1.0; Flickr ist Web 2.0.“ Dougherty bezog John Battelle ein, um eine geschäftliche Perspektive zu erarbeiten. Daraufhin veranstalteten O’Reilly Media, Battelle und MediaLive die erste Web-2.0-Konferenz im Oktober 2004. Die Konferenz findet seitdem jährlich im Oktober statt.
CMP Technology hat den Begriff Web 2.0 in Verbindung mit Konferenzen[9] in den USA als sogenannte Service Mark (Dienstleistungsmarke) angemeldet. In diesem Zusammenhang erregte der Begriff im Frühjahr 2006 Aufmerksamkeit, als eine nicht kommerzielle Organisation den Begriff für eine eigene Konferenz verwendete und von CMP anwaltlich abgemahnt wurde. Insbesondere in Weblogs wurde diese Maßnahme zum Teil scharf kritisiert. O’Reilly und Battelle fassten Schlüsselprinzipien zur Charakterisierung von Anwendungen zusammen, die dem Begriff Web 2.0 zugeordnet werden können:
Das Web 2.0 kann folgendermaßen charakterisiert werden:[11]
Aus technischer Sicht bezeichnet Web 2.0 auch eine Anzahl von bereits in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre entwickelten Methoden, von denen viele erst mit dem Aufkommen einer großen Zahl breitbandiger Internetzugänge weltweit und allgemein verfügbar wurden. Typische Techniken und Leistungen sind:
Manche Betreiber von Websites, beispielsweise Zeitungen, stellen Inhalte der Website in einer Form zur Verfügung, die der Benutzer abonnieren kann. Neue Inhalte werden automatisch heruntergeladen und dem Benutzer durch ein geeignetes Programm angezeigt. Populäre Anwendungen hierfür sind unter anderem das Anzeigen der neuesten Schlagzeilen der bevorzugten Zeitung auf dem Desktop oder Information über neu eingetroffene E-Mails in einem Webmail-Postfach. Solche Abonnementdienste heißen Web-Feeds; die zu Grunde liegenden Formate sind in der Regel RSS oder Atom.
Als Webservice wird ein über das Web abrufbares Daten- oder Datenauswertungsangebot bezeichnet, das Programmen standardisierte Abfrage- oder Datenaustauschwege bietet. Ein Webservice ist nicht darauf ausgelegt, unmittelbar durch Menschen benutzt zu werden. Im Zusammenhang mit dem sogenannten Web 2.0 meint man mit Webservices Zusammenfassungen von Diensten verschiedener Anbieter zu einem neuen, leistungsfähigeren oder umfassenderen Dienst für Internetnutzer.
Beispielanwendungen:
Der Begriff Web 2.0 wird auch mit dem semantischen Web in Verbindung gebracht. Dies betrifft etwa die Verwendung von Elementen wie FOAF und XFN zur Beschreibung sozialer Netzwerke, die Entwicklung von Folksonomies als vereinfachte Variante der Ontologien, der Verwendung von Geotagging oder RDF-basierten RSS- oder Atom-Feeds, die Verwendung von Mikroformaten bis hin zur Erstellung von Ontologien mit Hilfe von Wikis. Das Semantic Web beschreibt eine Technologieentwicklung hin zu einer höheren Interoperabilität durch den Einsatz von Standards wie etwa XML, RDF und OWL. Die Verarbeitung der Information durch Maschinen soll damit erhöht werden.
Aus praktischer Sicht werden einige Internet-Anwendungen direkt zum Begriff Web 2.0 zugeordnet:
Der Begriff Web 2.0 erlangte eine derartig hohe Popularität, dass das Begriffsschema inzwischen auf vielfältige Bereiche angewendet wird, wie Health 2.0, Bibliothek 2.0, Fernsehen 2.0, Politik 2.0, Beziehung 2.0 ,[17] Lernen 2.0, Enterprise 2.0 oder auch Wirtschaft 2.0. Ihnen gemeinsam ist die Absicht, die Beteiligungsmöglichkeiten beziehungsweise die Interaktivität der Nutzer oder Konsumenten in bestimmten Bereichen deutlich zu machen.
Des Weiteren wird 2.0 auch allgemein für eine neue oder verbesserte Version verwendet, mitunter auch im Sinne einer Wiederholung auf anderer Ebene, wie etwa bei Stasi 2.0.
Auch in kulturellem Kontext wird das Begriffsschema verwendet, teilweise auch schon vor der Verbreitung des Begriffs Web 2.0. So lautet beispielsweise der Titel des 1998 veröffentlichten zweiten Albums von Garbage Version 2.0. Weitere Beispiele sind die US-amerikanische Fernsehserie Jake 2.0 und der deutsche Titel einer Episode von CSI: Den Tätern auf der Spur Mordermittlung 2.0.
Die Bedeutung der Web-2.0-Anwendungen lässt sich anhand ihrer Mitgliederzahlen, ihrer Popularität und der Häufigkeit der Nutzung belegen. Facebook ist das größte soziale Netzwerk mit 2,91 Mrd. monatlich aktiven Nutzern im Jahr 2022. Im Ranking der größten Social Networks und Messenger finden sich hinter Facebook YouTube, WhatsApp, Instagram, WeChat und TikTok.[18] Bei jungen Usern unter 30 Jahren zeichnet sich vor allem die Benutzung von Instagram, Snapchat sowie TikTok ab.[19]
Tim Berners-Lee, der Begründer des WWW, sagte 2006 über den Begriff Web 2.0 in einem IBM-Developer-Works-Podcast, er halte Web 2.0 für einen „Jargonausdruck, von dem niemand weiß, was er wirklich bedeutet.“ (Originalzitat: „I think Web 2.0 is of course a piece of jargon, nobody even knows what it means“)[20] Er vertritt die Ansicht, dass das angeblich „neue Netzverständnis“ des Web 2.0 in Wahrheit nichts anderes als das ursprüngliche Netzverständnis ist, das bereits dem Web 1.0 zugrunde lag („Web 1.0 was all about connecting people“).[21]
Berners-Lee konzipierte das Web von Anfang an im gleichen Maße zum Publizieren wie zum Konsumieren der Inhalte.[22] Tatsächlich war auch der erste von ihm entwickelte Webbrowser bereits Editor und Browser zugleich.[23]
Zudem wird von Kritikern angeführt, dass der Begriff Web 2.0 lediglich normale, konsequente Weiterentwicklungen im WWW verallgemeinert. So ist nach Meinung vieler Kritiker der Begriff Web 2.0 eine Marketingblase, welche vermeidet, Neuerungen genau zu beschreiben, indem viele Neuentwicklungen ohne genaue Unterscheidung dem Web 2.0 zugeschlagen werden, auch wenn sie von anderen Technologien oder Zielsetzungen ausgehen. Beispielsweise fasst man unter dem Oberbegriff Web 2.0 so Unterschiedliches zusammen wie netzwerkgestützte Anwendungen, die lokale Anwendungen ersetzen (Client-Server-Anwendungen), und soziale Netzwerkanwendungen. Des Weiteren lege der Begriff Web 2.0 vereinfachend nahe, das Internet sei interaktiver geworden – obwohl es schon seit den Anfängen des Internets rege Usenet-Gemeinden gegeben habe; genau wie später im WWW auch viele Forengemeinschaften. Daher beinhalte Web 2.0 nichts Neues. Auch seien die verwendeten Techniken schon lange, bevor sie unter diesem Begriff verwendet wurden, vorhanden gewesen.