Zürich, Spiegelgasse 11 ("Zum Waldries")Lavaters SilhouetteGrabstein Lavaters vor der Kirche St. Peter in Zürich
Lavater wurde 1741 als Sohn eines angesehenen Arztes im elterlichen Haus an der Spiegelgasse 11 (Lage47.371798.5445) in Zürich geboren.[1] Der Arzt und Apotheker Diethelm Lavater war sein jüngerer Bruder. Er besuchte zuerst die Deutsche Schule, dann die Lateinschule, ab 1754 zum Theologiestudium das Collegium Humanitatis und von 1756 bis 1762 das Collegium Carolinum in Zürich, wo u. a. Johann Jacob Bodmer und Johann Jakob Breitinger seine Lehrer waren. 1762 wurde er ordiniert. Im selben Jahr machten er und der spätere Maler Johann Heinrich Füssli mit einer Schrift auf das ungerechte Treiben des ehemaligen Landvogts Felix Grebel aufmerksam.
Nach seiner Rückkehr nach Zürich (1764) gründete Lavater verschiedene Gesellschaften und gab erste wichtige Texte heraus. Am 3. Juni 1766 heiratete Lavater die um ein Jahr jüngere Anna Schinz. Am 21. Mai 1768 wurde sein Sohn, der spätere Arzt Johann Heinrich Lavater, geboren.[2] 1769 wurde Johann Caspar Lavater Diakon, 1775 Pfarrer an der Waisenhauskirche, 1778 Diakon und 1786 Pfarrer an der St.-Peter-Kirche in Zürich. Lavater hatte zwei Töchter, um 1770 und 1778 geboren.
1769 übersetzte Lavater Charles BonnetsIdées sur l’état futur des êtres vivants, ou Palingénésie philosophique als Philosophische Untersuchung der Beweise für das Christentum und widmete diese Schrift dem Aufklärer Moses Mendelssohn, um diesen entweder zu einer Widerlegung oder zum Übertritt ins Christentum zu bewegen.[3] Dies war der Anfang einer brieflichen Auseinandersetzung zwischen Mendelssohn und Lavater, die von der gelehrten Öffentlichkeit ganz Europas mitverfolgt wurde.[4][5] Lavater erhielt in dieser Auseinandersetzung Unterstützung durch den Juristen und Theologen Johann Balthasar Kölbele.[6][7]
Nachdem Lavater als Prediger an die St.-Ansgarius-Kirche in Bremen berufen worden war, unternahm er 1786 eine Reise dorthin. Obwohl er die Stelle abgewiesen hatte und weiterhin in Zürich als Pfarrer tätig blieb, wurde er auf der Reise und in Bremen mit Begeisterung empfangen. 1787 begann er eine Korrespondenz mit Nikolai Karamsin, der seinen Besuch bei ihm beschrieb in dem Buch Briefe eines russischen Reisenden. Auf Einladung des Ministers Bernstorff unternahm er 1793 eine Reise nach Kopenhagen.
Die letzten Jahre seines Lebens wurden zu einem grossen Teil durch die politischen Ereignisse bestimmt. Da Lavater sich kritisch über die Auswirkungen der Französischen Revolution äusserte und auch den Einmarsch der französischen Truppen in die Schweiz stark kritisierte, kam er bei der helvetischen Regierung in den Verdacht eines Einverständnisses mit Russland und Österreich. Am 16. Mai 1799 wurde er verhaftet und nach Basel verschleppt.
Am 10. Juni wurde er freigelassen und kehrte nach Zürich zurück. Als er bei der Eroberung der Stadt durch André Masséna am 26. September desselben Jahres verwundeten Soldaten auf der Strasse Hilfe leistete, traf ihn eine feindliche Kugel. 15 Monate später starb er an den Folgen der dabei erlittenen Verletzungen. Sein Schwiegersohn Georg Gessner veröffentlichte im auf Lavaters Tod folgenden Jahr eine dreibändige Biographie.[9]
Porträts von Daniel Chodowiecki für die Sammlung Physiognomik von LavaterLavater liess Goethes Silhouette im ersten Band der Physiognomischen Fragmente (1775) mit folgendem Kommentar abdrucken:[10] «Die nachstehende Silhouette ist nicht vollkommen, aber dennoch bis auf den etwas verschnittenen Mund, der getreue Umriß von einem der größten und reichsten Genies, die ich in meinem Leben gesehen.»[11]
Lavater wurde durch seine Physiognomischen Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe (4 Bände, 1775–78) bekannt, in denen er Anleitung gab, verschiedene Charaktere anhand der Gesichtszüge und Körperformen zu erkennen. Mit dieser Theorie der Physiognomik trug er wesentlich zur Popularität des Schattenrisses in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Deutschland bei. Lavaters Theorie der Physiognomik wurde in der damaligen Zeit lebhaft diskutiert, unter anderem von Lichtenberg, Goethe und Humboldt. Bekannte Künstler wie Daniel Chodowiecki, Johann Rudolf Schellenberg oder Johann Heinrich Lips lieferten Vorlagen für seine Sammlung Physiognomik.
Daneben verfasste Lavater die Schweizerlieder (1767), das in vier Bänden erschienene Werk Aussichten in die Ewigkeit (1768–1773/78), das Geheime Tagebuch. Von einem Beobachter Seiner Selbst und die Unveränderten Fragmente aus dem Tagebuche eines Beobachters seiner Selbst, verschiedene theologische, pädagogische und patriotische Werke sowie den Pontius Pilatus (1782–1785) und den Nathanaél (1786). Weiter wurde er für seine zahlreich publizierten Predigten bekannt und aufgrund mehrerer religiös geprägter epischer Dichtungen wie Jesus Messias, oder die Zukunft des Herrn (1780) und Joseph von Arimathea (1794) sowie des religiösen Dramas Abraham und Isaak (1776).
Nach Lavater sind im Zürcher Stadtkreis Enge eine Strasse sowie ein Schulhaus benannt. Im Jahr 1954 wurde in Aspern in Wien-Donaustadt (22. Bezirk) die Lavaterstraße nach ihm benannt.[12]
An seiner Wirkungsstätte in Zürich ist im Lavaterhaus im Hause St. Peterhofstatt 6 (Lage47.371728.54063) eine Sammlung zu seinem Leben und Werk entstanden. Dort gibt es Führungen und Veranstaltungen zu besonderen Anlässen.
1762: Der ungerechte Landvogt oder Klagen eines Patrioten
1767: Schweizerlieder. Von einem Mitgliede der helvetischen Gesellschaft in Schinznach
1768–1778: Aussichten in die Ewigkeit in Briefen an Herrn Johann Georg Zimmermann (4 Bände). Sowie: Hamburg, Buchhändlergesellschaft, 1773, 2., verbesserte Auflage in 3 Bänden.
1769: Drey Fragen von den Gaben des Heiligen Geistes
1769: Johann Caspar Lavaters Zueignungsschrift der Bonnetischen Philosophischen Untersuchung der Beweise für das Christenthum an Herrn Moses Mendelssohn in Berlin
1770: Antwort an den Herrn Moses Mendelssohn zu Berlin
1770: Morgengebete und Abendgebete auf alle Tage der Woche
1771: Geheimes Tagebuch. Von einem Beobachter Seiner Selbst
1772: Von der Physiognomik. Leipzig
1773: Predigten über das Buch Jonas, Zürich, David Bürgkli im Verlag Steiners und Compagnie, 2 Teile, 254 und 287 S.
1773: Unveränderte Fragmente aus dem Tagebuch eines Beobachters seiner Selbst
1780: Hrn. Caspar Lavaters und eines Ungenannten Urtheile über Hrn. C. R. Steinbarts System des reinen Christentums (Digitalisat)
1782–1785: Pontius Pilatus. Oder Die Bibel im Kleinen und Der Mensch im Grossen
1785: Etwas Geschichtliches vom sog. thierischen Magnetismus[13]
1786: Nathanael
1787: Lieder für Leidende. Tübingen
1787–1788: Vermischte unphysiognomische Regeln zur Menschen- und Selbstkenntniss
1788: Christlicher Religionsunterricht für denkende Jünglinge
1789: Vermischte physiognomische Regeln, ein Manuscript für Freunde, veröffentlicht (o. O.) 1802
1789: Christliches Jahrbüchlein, oder, auserlesene Stellen der Heil. Schrift, für alle Tage des Jahrs, mit kurzen Anmerkungen und Versen begleitet von Joh. Caspar Lavater. Dritte Auflage, Zürich (Digitalisat)
1790–1794: Handbibliothek für Freunde (24 Bände)
1793: Regeln für Kinder
1793: Reise nach Kopenhagen im Sommer 1793
1794: Joseph von Arimathea
1795: Anacharsis oder vermischte Gedanken und freundschaftliche Räthe
1798: [Ein] Wort eines freyen Schweizers an die grosse Nation
1798: Das Menschliche Herz
1800–1801: Freymüthige Briefe über das Deportationswesen und seine eigene Deportation nach Basel
Werkausgabe
Johann Caspar Lavater: Ausgewählte Werke in historisch-kritischer Ausgabe. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich
Band I/1: Bettina Volz-Tobler (Hrsg.): Jugendschriften 1762–1769. 2008, ISBN 978-3-03823-059-5.
Band II: Ursula Caflisch-Schnetzler (Hrsg.): Aussichten in die Ewigkeit 1768–1773/78. 2001, ISBN 3-85823-865-1.
Band III: Martin Ernst Hirzel (Hrsg.): Werke 1769–1771. 2002, ISBN 3-85823-961-5.
Band IV: Ursula Caflisch-Schnetzler (Hrsg.): Werke 1771–1773. 2009, ISBN 978-3-03823-537-8.
Band V: Ursula Caflisch-Schnetzler (Hrsg.): Werke 1772–1781. 2018, ISBN 978-3-03810-371-4.
Band VI/1: Christina Reuter (Hrsg.): Pontius Pilatus 1782–1785. 2013, ISBN 978-3-03823-760-0.
Band VIII: Dominik Sieber (Hrsg.): Patriotische Schriften 1798–1801. 2015, ISBN 978-3-03823-686-3.
Ergänzungsband: Horst Weigelt (Hrsg.): Bibliographie der Werke Lavaters. Verzeichnis der zu seinen Lebzeiten im Druck erschienenen Schriften. Wissenschaftliche Redaktion Niklaus Landolt, 2001, ISBN 3-85823-864-3.
Ergänzungsband: Christoph Eggenberger, Marlis Stähli (Hrsg.): Johann Caspar Lavater (1741–1801). Verzeichnisse der Korrespondenz und des Nachlasses in der Zentralbibliothek Zürich. 2007, ISBN 978-3-03823-354-1.
Ergänzungsband: Ursula Caflisch-Schnetzler, Conrad Ulrich (Hrsg.): Anna Barbara von Muralt (1727–1805) Anekdoten aus Lavaters Leben. 2 Bände, 2011, ISBN 978-3-03823-687-0.
Gustav Adolf Benrath: Die Freundschaft zwischen Jung-Stilling und Lavater. In: Bernd Möller, Gerhard Ruhbach (Hrsg.): Bleibendes im Wandel der Kirchengeschichte. Kirchenhistorische Studien. Mohr, Tübingen 1973, ISBN 978-3-16-135332-1, S. 251–305.
Ursula Caflisch-Schnetzler (Hrsg.): Noli me nolle. Jahresschrift der Sammlung Johann Caspar Lavater. Zürich 2013 ff. (lavater.com).
Ursula Caflisch-Schnetzler: Johann Caspar Lavater. In: Matthias Luserke-Jaqui (Hrsg.): Handbuch Sturm und Drang. De Gruyter, Berlin 2017, S. 136–142.
Ursula Caflisch-Schnetzler: Johann Caspar Lavater. Jugendjahre. Vom Wert der Freundschaft. Band 1. NZZ Libro, Zürich 2023, ISBN 978-3-907396-22-3.
Dr. Bruno (pseud. Pieter Johannes de Bruilne Ploos van Amstel): De physiognomiek van Lavater. Mulder, Amsterdam 1938.
Michael Gamper, Hans-Georg von Arburg: Gottes Ebenbild? J. C. Lavater. Seine Physiognomik in ihrer Konzeption und Auswirkung. Strauhof, Zürich 1992.
Werner E. Gerabek: Lavater, Johann Caspar. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 829 f.
Ueli Greminger: Johann Caspar Lavater: Berühmt, berüchtigt – neu entdeckt. TVZ, Zürich 2012.
Mary Lavater-Sloman: Genie des Herzens: Die Lebensgeschichte Johann Caspar Lavaters. 5. Auflage. Artemis, Zürich/Stuttgart 1955.
Horst Weigelt, Karl Pestalozzi (Hrsg.): Das Antlitz Gottes im Antlitz des Menschen. Zugänge zu Johann Kaspar Lavater. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994.
↑Andreas Mettenleiter: Selbstzeugnisse, Erinnerungen, Tagebücher und Briefe deutschsprachiger Ärzte. Nachträge und Ergänzungen III (I–Z). In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 22, 2003, S. 269–305, hier: S. 276.
↑Johann Caspar Lavater: Johann Caspar Lavaters Zueignungsschrift der Bonnetischen Philosophischen Untersuchung der Beweise für das Christenthum an Herrn Moses Mendelssohn in Berlin. Zürich 1769.
↑Moses Mendelssohn: Schreiben an den Herrn Diaconus Lavater zu Zürich. Berlin 1769.
↑Johann Caspar Lavater: Antwort an den Herrn Moses Mendelssohn zu Berlin. Berlin und Stettin 1770.
↑Johann Balthasar Kölbele: Schreiben an den Herrn Moses Mendelssohn über die Lavaterische und Kölbelische Angelegenheiten gegen Herrn Moses Mendelssohn. Andreä, Frankfurt am Mayn 1770.
↑Johann Balthasar Kölbele: Zweytes Schreiben an Herrn Moses Mendelssohn insonderheit über den ehemahligen Mendelssohnischen Deismus, über das Mendelssohnische Kennzeichen einer Offenbarung, und kürzlich über die Glaubwürdigkeit der Evangelischen Geschichte. Andreä, Frankfurt am Mayn 1770.
↑Georg Geßner: Johann Kaspar Lavaters Lebensbeschreibung von seinem Tochtermann. 3 Bände, Winterthur 1802/03.
↑Judith Steinheider: Schattenbild und Scherenschnitt als Gestaltungsmittel der Buchillustration. Geschichte und Bibliografie. Tectum, Marburg 2013, ISBN 978-3-8288-3251-0, S. 90.
↑Johann Caspar Lavater: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Erster Versuch. Weidmanns Erben und Reich/Heinrich Steiner und Compagnie, Leipzig/Winterthur 1775, S. 223.
↑Karl Bittel: Der berühmte Hr. Doct. Mesmer. 1734–1815. Auf seinen Spuren am Bodensee im Thurgau und in der Markgrafschaft Baden mit einigen neuen Beiträgen zur Mesmer-Forschung. Aug. Feyel, Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung, Überlingen 1939, S. 12.