Karlheinz Böhm, das einzige Kind des österreichischen DirigentenKarl Böhm (1894–1981) und der deutschen SopranistinThea Linhard-Böhm (1903–1981), wurde 1928 in Darmstadt geboren, wo sein Vater als Generalmusikdirektor angestellt war. Sein Vater war gebürtiger Grazer, seine Mutter Münchnerin. Seine Kindheit verbrachte er in Darmstadt, Hamburg und ab 1934 in Dresden, wo die Familie bis 1943 zunächst in der Dampfschiff-, dann in der Angelikastraße wohnte. Böhm besuchte die Volksschule in der Wägnerstraße und die König-Georg-Schule. Ab 1940 war er in einem Internat in Kufstein. 1942 verhalf ihm ein gefälschtes ärztliches Attest zur Ausreise in die Schweiz, wo er das Internat Lyceum Alpinum Zuoz besuchte.[1] Karlheinz Böhm spielte in seiner Kindheit Eishockey.
Nach dem Krieg lebten seine Eltern zunächst am Attersee und wollten nach Graz ziehen. Durch die Opernsängerin Maria Cebotari (der Postweg funktionierte nicht mehr) ließen sie Karlheinz Böhm in Zuoz die Nachricht übermitteln, er solle ebenfalls nach Graz kommen. Er schlug sich im Dezember 1945 nach Salzburg durch, wo er zu seiner Überraschung auf seinen Vater traf, der am Mozarteum im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens vernommen werden sollte. Am 24. Dezember 1945 fuhren sie frierend in einem offenen Geländewagen zur Mutter nach Graz. Karlheinz Böhm erhielt dort noch eineinhalb Jahre lang Privatunterricht an einer Maturaschule und bestand 1947 die Matura am Kepler-Gymnasium in Graz.[2]
Böhm wollte ursprünglich Pianist werden. Das Urteil nach dem Vorspielen des Klavierkonzert Nr. 1 von Beethoven im Alter von 14 oder 15 Jahren bei Wilhelm Backhaus in Lugano lautete seiner Biografie zufolge: „Nu ja, für’n Sohn vom Böhm hätt isch ma’n bisschen mehr erwartet.“[3] Er studierte auf Drängen seines Vaters Anglistik und Germanistik, anschließend in Rom ein Semester Kunstgeschichte. Böhm brach das Studium ab, um bei Helmuth Krauss in WienSchauspielunterricht zu nehmen.
Von 1948 bis 1976 spielte er in etwa 45 Kinofilmen und auch im Theater. An der Seite von Romy Schneider verkörperte er in den drei Sissi-Filmen den jungen Kaiser Franz Joseph I. Dadurch war er als Schauspieler auf ein Genre festgelegt, dem er zu entfliehen versuchte. Seine internationale Karriere als Schauspieler erlitt 1960 durch seine Darstellung eines Serienmörders in Michael PowellsAugen der Angst einen Einbruch, da Kritik und Publikum den Film wegen seines beklemmenden Inhalts ablehnten. Erst Anfang der 80er Jahre wurde der Film neu bewertet; er gilt unter Cineasten heute als einer der besten dieses Genres.
Böhm hatte zuvor einen Vertrag mit der Hollywood-Firma MGM abgeschlossen, doch auch diese Zusammenarbeit erwies sich für seine Filmkarriere als nicht sehr fruchtbar. Die ihm dort angebotenen Rollen waren für ihn nicht befriedigend und die fünf Filme überwiegend keine großen Erfolge. Mitte der 1960er Jahre kehrte er enttäuscht nach Europa zurück.
In den 70er Jahren arbeitete er mit Rainer Werner Fassbinder. Dabei glänzte er in dem PsychothrillerMartha, der die Institution der Ehe kritisch behandelt. Beeinflusst vom gesellschaftskritischen Impetus des Regisseurs begann Böhm sich mehr und mehr für die globalen Probleme zu interessieren. Nachdem er sich ab den 80er Jahren vermehrt der Hilfe für Afrika widmete, nahm er nur noch sporadisch Rollenangebote wahr.
Böhm schuf außerdem zahlreiche musikalische Hörspiele für Kinder, mit denen er ihnen die Lebensgeschichten großer Komponisten und klassische Musikstücke nahezubringen versuchte.
1976 war Böhm zum ersten Mal mit der Armut in Afrika konfrontiert. Um einen Bronchialkatarrh auszukurieren, empfahlen ihm die Ärzte einen Aufenthalt in Kenia. Dort ließ er sich von einem einheimischen Hotel-Angestellten die Kehrseite der Luxusfassade zeigen. Karlheinz Böhm sah die Hütte des Hotel-Angestellten, erfuhr, dass die Einheimischen sich nur den Kopf eines Fisches leisten konnten, und war erschüttert. Er konnte sich mit der Armut nicht abfinden und beschloss, in Afrika zu helfen.
Als er wieder nach Deutschland zurückkehrte, wurde er in die Sendung Wetten, dass..? eingeladen. Dort wettete er am 16. Mai 1981, dass nicht einmal jeder dritte Zuschauer eine Mark bzw. sieben Schilling oder einen Franken für notleidende Menschen in der Sahelzone spenden werde. Er versprach, dass er selbst nach Afrika gehen werde, um zu helfen, wenn er die Wette verliere. Das Spendenziel wurde nicht erreicht, und Böhm gewann die Wette; immerhin kamen jedoch rund 1,2 Millionen DM zusammen. Nach der Sendung flog er im Oktober 1981 mit dem Geld erstmals nach Äthiopien und gründete am 13. November 1981 die Hilfsorganisation Menschen für Menschen.
Eine der Ursachen für die Armut in Äthiopien sah Böhm in der sozialen Benachteiligung der Frauen. Die soziale Position der Frau müsse endlich verbessert werden; dazu gehöre u. a. die Abschaffung von Kinderehen und weiblicher Genitalverstümmelung und umfassende Alphabetisierung und Bildung. Über Jahrzehnte hinweg verbrachte Karlheinz Böhm mehrere Monate pro Jahr in Äthiopien und besuchte die einzelnen Projekte. Zusammen mit seiner Frau Almaz trat er ab etwa 2010 offensiv für nachhaltige Landwirtschaft ein als einen wichtigen Baustein zur Verbesserung der Lebensbedingungen in der südlichen Hemisphäre.
Böhm war auch Initiator der ersten Partnerschaft auf kommunaler Ebene zwischen einer deutschen und einer äthiopischen Gemeinde. Diese wurde 1994 zwischen Vaterstetten, dem damaligen Wohnort Böhms, und Alem Katema geschlossen. Im selben Jahr wurde in Vaterstetten der Verein Partnerschaft mit Alem Katema e. V. gegründet, der heute (2021) über 600 Mitglieder hat.[4]
Seiner ersten Ehe (1954–1957) mit der Flugbegleiterin Elisabeth Zonewa entstammt die Tochter Sissy Böhm (* 1955), deren Sohn Florian Böhm (* 1978) ebenfalls Schauspieler ist. In ihrer Anfang 2015 erschienenen Autobiografie[5] erhebt Sissy Böhm schwere Vorwürfe gegen ihre Eltern. Ihre Mutter habe sie ab dem Alter von fünf Jahren sexuell missbraucht; ihr Vater habe sich ihr einmal unsittlich angenähert, als sie 13 Jahre alt war.[6]
Aus Böhms zweiter Ehe (1958–1962) mit Gudula Blau gingen 3 Kinder hervor: die Schauspielerin Kristina Böhm (* 1959) und zwei weitere Kinder (* 1960 und * 1961). Aus seiner dritten Ehe (1963–1980) mit Barbara Lass stammt die Schauspielerin Katharina Böhm (* 1964). Ab 1991 war er in seiner vierten Ehe mit der aus Äthiopien stammenden Agrarexpertin Almaz Böhm verheiratet; dieser Ehe entstammen zwei Kinder (* 1990 und * 1993).
Insgesamt ist Böhm der Vater von sieben Kindern.
Ab Ende der 1960er-Jahre gehörte Böhm den Freimaurern an. Er erwähnte dies in seiner Autobiografie von 1991.[7]
Böhm lebte viele Jahre im Vaterstettener Stadtteil Baldham, wie schon sein Vater, der dort ein Haus besaß. 2002, als Böhm nach Österreich umgezogen war, beantragte er mit seiner Frau Almaz den Abriss des Hauses in Baldham und den Bau von drei neuen Häusern auf dem Grundstück.[10] Wegen Vorschriften zu Baugrenzen wurde der Antrag zunächst abgelehnt.[11] Die Gemeinde genehmigte schließlich eine reduzierte Bebauung.[12] Böhms Tochter Katharina lebt seit ihrem vierten Lebensjahr bis heute in ihrem Elternhaus in Vaterstetten.[13]
Grab von Karlheinz Böhm auf dem Salzburger Kommunalfriedhof
In den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens lebte Böhm mit seiner Frau Almaz und den beiden gemeinsamen Kindern in Grödig bei Salzburg.[14] Im Februar 2013 wurde bekannt, dass er schwer an Alzheimer erkrankt war. Sein Sohn sagte, er könne sich nicht mehr äußern.[15]
Karlheinz Böhm starb am 29. Mai 2014 im Alter von 86 Jahren in Grödig im Kreis seiner Familie.[16] Am 13. Juni fand eine Trauerfeier in der Salzburger Residenz mit 400 Gästen statt.[17] Anschließend verabschiedete sich Böhms Münchner Freimaurerloge mit einer Zeremonie auf dem Salzburger Kommunalfriedhof von ihm.[18] Dort wurde die Urne in einem Ehrengrab der Stadt Salzburg (Gräberfeld 35) beigesetzt,[19] eingebettet in Erde aus Äthiopien.[20]
2011: im Juni Enthüllung einer überlebensgroßen Böhm-Skulptur an einem Platz im Diplomatenviertel von Addis Abeba, der Platz bekam den Namen Karl Square. Bei der Einweihung hielt Bundespräsident a. D. Horst Köhler eine Rede, in der er Böhm einen „stillen Revolutionär“ nannte.[30]
2019: Böhm wurde Namensgeber der neuen Karlheinz-Böhm-Grund- und Mittelschule Vaterstetten[31]
Erich Schaake: Karlheinz Böhm. Ein Mensch für Menschen, ein Lebensbild. Schneekluth, München 1985, ISBN 3-7951-0951-5.
Friedemann Beyer: Karlheinz Böhm. Seine Filme – sein Leben. In: Heyne-Bücher. Band 32, Heyne-Filmbibliothek Nr. 171. Heyne, München 1992, ISBN 3-453-05760-0.
Frauke Wolter: Karlheinz Böhm. Wie ein Star zum Helfer wurde. Biographie. Herder-Spektrum 4521, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 1997, ISBN 3-451-04521-4.
Swantje Strieder, Jürgen Strauss (Fotograf): Karlheinz Böhm: was Menschen für Menschen geschaffen haben. 20 Jahre Äthiopien.Hugendubel, Kreuzlingen/München 2001, ISBN 3-7205-2261-X.
Beate Wedekind, Marcus Zumbansen (Fotograf): Nagaya heißt Frieden. Karlheinz Böhm und seine Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“.Rütten & Loening, Berlin 2006, ISBN 3-352-00659-8 (27 Reportagen über Protagonisten von Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“).
Helfried Weyer: Äthiopien. Nicolai, Berlin 2006, ISBN 3-89479-301-5 (Autor zu Besuch bei Karlheinz Böhm mit seiner Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“).
Wolfgang Bittner: Von Kaiser Franz zu Mister Karl. Karlheinz Böhm. In: Ich bin ein öffentlicher Mensch geworden. Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen. Horlemann, Bad Honnef 2009, ISBN 978-3-89502-277-7.
Günter Krenn: Die Welt ist Bühne: Karlheinz Böhm. Die Biographie. Aufbau, Berlin 2018, ISBN 978-3-351-03711-6.