Eine Landeskirche ist ein in der Regel territorial abgegrenzter Zusammenschluss von volkskirchlichen Gemeinden. Meist bildet er eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Deutschland). In Liechtenstein ist der Begriff Landeskirche gleichbedeutend mit Staatskirche.
Bezogen auf die vorreformatorische Zeit wird unter dem Begriff der Landeskirche die Kirchenorganisation eines bestimmten Territoriums verstanden, die zwar im Regelfall einer übergeordneten Autorität (dem Papst oder einem Patriarchen) unterstellt war, aber ein erhöhtes Maß an Selbstständigkeit besaß, insbesondere was ihre innere Struktur und ihr Verhältnis zum jeweiligen weltlichen Herrscher betraf. Das Vorhandensein einer eigenen Landeskirche spielte eine große Rolle für die Abgrenzung vor allem frühmittelalterlicher Reiche gegenüber anderen Territorien.
In Deutschland ergab sich der Begriff im heutigen Verständnis aus einer Notsituation: Anders als in Skandinavien und England gingen die deutschen Bischöfe in ihrer großen Mehrheit nicht zur Reformation über, so dass es nicht möglich war, das hergebrachte Diözesansystem unter dem Vorzeichen des neuen Bekenntnisses weiter bestehen zu lassen. Daher forderte Martin Luther, dass die weltlichen Landesherren behelfsweise die bischöfliche Funktion in ihren Territorien ausüben sollten. Diese Herrschaft, die die Territorialfürsten oder städtischen Magistrate meist durch hierzu eingesetzte Behörden (Konsistorien) sowie durch Superintendenten bzw. Generalsuperintendenten ausübten, wurde später landesherrliches Kirchenregiment genannt.
Aus dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 ergab sich der Grundsatz cuius regio, eius religio (wessen Gebiet, dessen Religion). Danach bestimmte der Landesherr, welcher Konfession seine Untertanen angehören mussten. Dies beförderte die Ausbildung geschlossener, eigener Landeskirchen. Der Grundsatz wurde allerdings in der Praxis der Religionspolitik im Heiligen Römischen Reich mit und nach dem Dreißigjährigen Krieg bald aufgeweicht.
Bis zur Abschaffung der Monarchie in Deutschland 1918 waren die Landesherren im administrativen Bereich Landesbischöfe, und die Bindung von Kirche und Staat dadurch besonders eng. Das galt seit dem 18. Jahrhundert sogar bei Landesherren anderer Konfession. So war der (römisch-katholische) König von Bayern zugleich oberster Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. In der Praxis übten die Landesherren die Leitungsgewalt über innerkirchliche Angelegenheiten (ius circa sacra) aber meist nur indirekt aus.
Die heutigen Grenzen der in Deutschland existierenden 20 evangelischen Landeskirchen sind weitgehend identisch mit denen der Bundesstaaten (in Preußen: der Provinzen) im deutschen Kaiserreich, wie es bis 1918 bestand. So umfasst beispielsweise das Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland dasjenige der früheren altpreußischen Kirchenprovinz Rheinland, die territorial im Wesentlichen der preußischen Rheinprovinz entsprach, deren Gebiet heute auf vier Länder aufgeteilt ist. Das Gebiet der Landeskirche blieb dabei nahezu unverändert. Die Evangelisch-reformierte Kirche (Landeskirche) entstand durch den Zusammenschluss der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland, die im Wesentlichen auf die Evangelisch-reformierte Landeskirche der Provinz Hannover zurückgeht, und der Evangelisch-reformierten Kirche in Bayern. Weil ihre Gemeinden auf den Gebieten der Hannoverschen und der Bayerischen Landeskirche liegen und sich ihr auch reformierte Gemeinden aus weiteren Ländern anschlossen, ist sie die einzige Landeskirche der EKD, die kein eigenes Territorium aufzuweisen hat.
Größere Veränderungen gab es im NS-Staat im Bereich des heutigen Hessen. 1933 schlossen sich die Evangelische Landeskirche Frankfurt am Main, die Evangelische Landeskirche in Hessen und die Evangelische Landeskirche in Nassau zur Evangelischen Kirche Nassau-Hessen (der heutigen Evangelische Kirche in Hessen und Nassau) zusammen. 1934 folgten die Evangelische Landeskirche in Hessen-Kassel und die Evangelische Landeskirche in Waldeck zur Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.
Spätere Veränderungen betrafen Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. 1977 vereinigten sich die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schleswig-Holstein, die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Eutin, die Evangelisch-Lutherische Kirche im Hamburgischen Staate und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Lübeck sowie der Kirchenkreis Harburg der hannoverschen Landeskirche zur Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Sie wiederum fusionierte 2012 mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg und die Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz schlossen sich 2004 zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zusammen, ebenso wie 2009 die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen und die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.
Als assoziiertes Mitglied der EKD angeschlossen:
Bis 2003 war auch die Evangelische Kirche der Union Mitglied in der EKD. Diese ging 2003 in der Union Evangelischer Kirchen auf.
Alle evangelischen Landeskirchen sind als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert. Folgende typischen Ämter und Institutionen gibt es in jeder Landeskirche:
Gemeinschaftsaufgaben aller 20 Landeskirchen nimmt die 1946 gegründete Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wahr, die ihren Sitz in Hannover hat.
Die Verwaltungsstruktur ist von Landeskirche zu Landeskirche unterschiedlich. Oft werden für die gleiche Verwaltungsinstanz verschiedene Bezeichnungen geführt. Um Verwirrungen zu vermeiden, soll folgende Tabelle einen Überblick über die Bezeichnungen der Verwaltungsebenen in den Landeskirchen der EKD geben. Zusätzlich wird in Klammern die Bezeichnung der personalen Leitung genannt, da auch hier in den Landeskirchen mit der gleichen Bezeichnung oft unterschiedliche Dinge gemeint sind. Kursiv werden ergänzend eventuelle Gremien der Verwaltungsebene genannt.
Landeskirche | Unterste Instanz | Untere Instanz | Mittlere Instanz | Obere Instanz Landeskirche |
---|---|---|---|---|
Evang. Landeskirche Anhalts |
Kirchengemeinde Gemeindekirchenrat |
Kirchenkreis (Kreisoberpfarrer) Kreissynode |
(Kirchenpräsident) Landessynode Kirchenleitung | |
Evang. Landeskirche in Baden |
Kirchengemeinde Kirchengemeinderat |
Kirchenbezirk, auch Dekanat (Dekan) Bezirkssynode |
Kirchenkreis, auch Prälatur (Prälat) |
(Landesbischof) Landessynode Landeskirchenrat |
Evang.-Luth. Kirche in Bayern |
Kirchengemeinde Kirchenvorstand |
Dekanat (Dekan) Dekanatssynode |
Kirchenkreis (Regionalbischof) |
(Landesbischof) Landessynode Landeskirchenrat |
Evang. Kirche in Berlin- Brandenburg- schlesische Oberlausitz |
Kirchengemeinde Kirchenvorstand |
Kirchenkreis (Superintendent) Kreissynode |
Sprengel (Generalsuperintendent = Regionalbischof) |
(Bischof) Landessynode Kirchenleitung |
Evang.-Luth. Landeskirche in Braunschweig |
Kirchengemeinde Kirchenvorstand |
Propstei (Propst) Propsteisynode |
(Landesbischof) Landessynode Kirchenregierung | |
Bremische Evangelische Kirche |
Kirchengemeinde Kirchenvorstand |
(Präsident des Kirchenausschusses) Kirchentag Kirchenausschuss | ||
Evang.-Luth. Landeskirche Hannovers |
Kirchengemeinde Kirchenvorstand |
Kirchenkreis (Superintendent) Kirchenkreistag |
Sprengel (Landessuperintendent) Ephorenkonferenz |
(Landesbischof) Landessynode Landessynodalausschuss |
Evang. Kirche in Hessen und Nassau |
Kirchengemeinde Kirchenvorstand |
Dekanat (Dekan) Dekanatssynode |
Propstei (Propst) |
(Kirchenpräsident) Landessynode Kirchenleitung |
Evang. Kirche von Kurhessen-Waldeck |
Kirchengemeinde Kirchenvorstand |
Kirchenkreis (Dekan) Kreissynode |
Sprengel (Propst) |
(Bischof) Landessynode Rat der Landeskirche |
Lippische Landeskirche | Kirchengemeinde Kirchenvorstand |
Klasse, auch Bezirk (Superintendent) Klassentag |
(Landessuperintendent) Landessynode Landeskirchenrat | |
Evangelische Kirche in Mitteldeutschland | Kirchengemeinde | Kirchenkreis | Propstsprengel | (Bischof) Landessynode Landeskirchenrat |
Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland | Kirchengemeinde | Kirchenkreis | Sprengel | (Landesbischof) Synode Kirchenleitung |
Evang.-Luth. Kirche in Oldenburg |
Kirchengemeinde Gemeindekirchenrat |
Kirchenkreis (Kreispfarrer) Kreissynode |
(Bischof) Synode Kirchenausschuss | |
Evang. Kirche der Pfalz | Kirchengemeinde Presbyterium |
Kirchenbezirk, auch Dekanat (Dekan) Bezirkssynode |
(Kirchenpräsident) Landessynode Kirchenregierung | |
Evangelisch-reformierte Kirche |
Kirchengemeinde Kirchenrat oder Presbyterium |
Synodalverband (Präses des Moderamens) Synodalverbandssynode |
(Kirchenpräsident) Gesamtsynode Moderamen | |
Evangelische Kirche im Rheinland |
Kirchengemeinde Presbyterium |
Kirchenkreis (Superintendent) Kreissynode |
(Präses) Landessynode Kirchenleitung | |
Evang.-Luth. Landeskirche Sachsens |
Kirchgemeinde Kirchenvorstand |
Kirchenbezirk, auch Ephorie (Superintendent) Kirchenbezirkssynode |
Kirchenamtsratsbereich (Kirchenamtsrat) |
(Landesbischof) Landessynode Kirchenleitung |
Evang.-Luth. Landeskirche Schaumburg-Lippe |
Kirchengemeinde Gemeindekirchenrat |
Kirchenbezirk (Superintendent) |
(Landesbischof) Landessynode Landeskirchenrat | |
Evangelische Kirche von Westfalen |
Kirchengemeinde Presbyterium |
Kirchenkreis (Superintendent) Kreissynode |
(Präses) Landessynode Kirchenleitung | |
Evang. Landeskirche in Württemberg |
Kirchengemeinde Kirchengemeinderat |
Kirchenbezirk (Dekan) Bezirkssynode |
Prälatur, auch Sprengel (Prälat) |
(Landesbischof) Landessynode Landeskirchenausschuss |
Die unterste Instanz ist in der allgemeinen Verwaltung vergleichbar mit der politischen Gemeinde, die untere Instanz mit dem Landkreis, die mittlere Instanz mit dem Regierungsbezirk und die obere Instanz mit dem Land.
In der Schweiz wird das Verhältnis zwischen Kirche und Staat durch kantonale Gesetze geregelt. Bis auf den Kanton Genf und den Kanton Neuenburg kennen alle Kantone öffentlich-rechtliche anerkannte Religionsgemeinden. In allen Kantonen anerkannt sind die Evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz und die Römisch-katholische Kirche in der Schweiz, in manchen überdies die Christkatholische Kirche der Schweiz. Diese drei Kirchen, zumal die reformierte, werden als Landes- oder Kantonalkirchen bezeichnet. Öffentlich-rechtlich anerkannte jüdische Gemeinden haben der Kanton Basel-Stadt, der Kanton Bern, der Kanton Freiburg, der Kanton St. Gallen, der Kanton Waadt und der Kanton Zürich.
Aus historischen Gründen gibt es im Wesentlichen fünf Formen der öffentlich-rechtlichen Anerkennung:
Die in den traditionell reformierten und paritätischen Kantonen geltende kantonalrechtliche Regelung der grundlegendsten Züge der Kirchenverfassung garantiert somit auch in den katholischen Kirchgemeinden demokratische Strukturen, die weltweit einzigartig sind, mit dem katholischen Kirchenrecht allerdings im Widerspruch stehen.
In den Kantonen Genf und Neuenburg sind die Kirchen privatrechtlich organisiert.
in den Kantonen Genf und Neuenburg sind die Kirchen privatrechtlich organisiert, und im Tessin und im Wallis gibt es nur die Bistümer.
In Liechtenstein ist die römisch-katholische Kirche laut Verfassungsartikel 37 II Landeskirche im Sinne einer Staatskirche. Eine Trennung von Kirche und Staat wird seit 2011 angestrebt, was sich jedoch aufgrund der verflochtenen Besitzverhältnisse als schwierig erwiesen hat. Eine Kommission erarbeitet einen Kompromissvorschlag, um die Trennung umzusetzen.[5] Das Gebiet der Landeskirche entspricht seit dem 2. Dezember 1997 dem der römisch-katholischen Erzdiözese Vaduz.[6] Bis 1997 entsprach es dem Gebiet des Dekanats Liechtenstein im Bistum Chur.[7]