Neben ihrer politischen Arbeit engagierte sich Süssmuth für viele Projekte aus der Zivilgesellschaft, bspw. als Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland (1994–1998) und Mitglied des Beirats bzw. Kuratoriums der gemeinnützigen Bertelsmann Stiftung (1997–2007).[3] Für ihre Verdienste wurde sie vielfach geehrt.
Süssmuth verbrachte ihre Kindheit in Wadersloh, ihr Vater war Lehrer. Nach dem Abitur 1956 am Emsland-Gymnasium in Rheine absolvierte sie ein Studium der Romanistik und der Geschichte in Münster, Tübingen und Paris, welches sie am 20. Juli 1961 mit dem ersten Staatsexamen für das Lehramt beendete. Danach folgte ein Postgraduiertenstudium der Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie. 1964 erfolgte dann ihre Promotion zum Dr. phil. mit der Arbeit Studien zur Anthropologie des Kindes in der französischen Literatur der Gegenwart an der Universität Münster. Von 1963 bis 1966 war sie als wissenschaftliche Assistentin an den Hochschulen Stuttgart (bei Robert Spaemann) und Osnabrück tätig und ab 1966 als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Ruhr. Von 1969 bis 1982 hatte sie einen Lehrauftrag an der Ruhr-Universität Bochum für Internationale Vergleichende Erziehungswissenschaft.
Von 1982 bis 1985 war sie Direktorin des Instituts Frau und Gesellschaft in Hannover. Während ihrer Zeit als aktive Politikerin gab sie Blockveranstaltungen an der Universität Göttingen.
Im September 2000 wurde Süssmuth vom damaligen Minister des Innern Otto Schily zur Vorsitzenden einer Unabhängigen Kommission Zuwanderung berufen, die am 12. September 2000 eingesetzt wurde und der 21 Mitglieder angehörten. Stellvertretender Vorsitzender der Kommission war Hans-Jochen Vogel. Auftrag der Kommission war es, ein Gesamtkonzept für ein neues Ausländerrecht zu erarbeiten. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden im Juli 2001 in Form eines Berichtes vorgelegt, der den Titel Zuwanderung gestalten – Integration fördern trug. Die veröffentlichte Broschüre hatte 323 Seiten.[4]
Am 6. September 2005 wurde Rita Süssmuth zur neuen Präsidentin der staatlich anerkannten Berliner OTA Privathochschule berufen, heute SRH Hochschule Berlin. Sie übergab die Position im Januar 2010 an Peter Eichhorn. Für ihr großes Engagement im Kampf gegen AIDS wurde Rita Süssmuth 2007 mit dem Reminders Day Award ausgezeichnet.
Rita Süssmuth war seit 1964 bis zu dessen Tod 2020 mit dem Universitätsprofessor Hans Süssmuth verheiratet und hat eine Tochter. Sie ist fünffache Großmutter.[6]
Seit 1981 ist sie Mitglied der CDU. 1983 wurde sie Vorsitzende des Bundesfachausschusses für Familienpolitik der Partei. 1986 bis 2001 war sie Bundesvorsitzende der Frauen Union. Von 1987 bis 1998 war sie Mitglied im Präsidium der CDU.
Sie sprach sich im Januar 2021 für Armin Laschet als neuen CDU-Vorsitzenden aus, welcher in ihrer Amtszeit als Bundestagspräsidentin für sie gearbeitet und z. B. Reden geschrieben hatte.
Im September 1989 zählte sie gemeinsam mit Lothar Späth und Heiner Geißler zu der innerparteilichen Gruppierung, die beim CDU-Parteitag in Bremen eine Kandidatur gegen den CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl erwog.[7] Im Dezember 1989 trat Süssmuth für eine gemeinsame Erklärung beider deutscher Staaten zur Anerkennung der polnischen Westgrenze ein. Im Juli 1990 präsentierte sie einen „Dritten Weg“ im Streit um den § 218 (Schwangerschaftsabbruch) zwischen Indikations- und Fristenlösung.[8][9] 1992 kritisierten die CDU-Bundestagsfraktion und Bundeskanzler Helmut Kohl ihre Initiative „Die letzte Entscheidung muss bei der Frau liegen“ zur Reform des Abtreibungsparagraphen. Im September 1992 scheiterte sie an der Union mit dem Vorhaben, die Bonner Abgeordneten zu einer Diätennullrunde umzustimmen.[10]
Im Juli 1993 verstimmte sie die CDU durch ihre Forderung nach Offenlegung des Kali-Fusionsvertrages im Zusammenhang mit dem von Stilllegung bedrohten Thüringer Kalibergwerk Bischofferode.[11] Im Oktober 1993 warf Süssmuth dem Kandidaten der CDU für das Bundespräsidentenamt, Steffen Heitmann, vor, die nationalsozialistische Vergangenheit zu verharmlosen. Auf einer Klausurtagung des Parteivorstandes stimmte sie jedoch für Heitmann.[12]
1995 vertrat Süssmuth die Überzeugung, dass ohne Aufarbeitung der Vergangenheit der neuen Bundesländer keine Versöhnung möglich sei. Im Mai 1995 kritisierte sie scharf die im Sparpaket der Bundesregierung geplanten Verschlechterungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und beim Kündigungsschutz sowie die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters für Frauen auf 65 Jahre.
Im Oktober 1996 setzte sie sich in einer Rede vor dem Bundesparteitag der CDU für die Einführung der Frauenquote innerhalb der CDU ein.[13][14] 1998 engagierte sie sich für die Errichtung eines Holocaust-Mahnmals in Berlin.[15]
Nach der Volkskammerwahl am 18. März 1990, der ersten demokratischen Volkskammerwahl überhaupt, wählte die Volkskammer Sabine Bergmann-Pohl (CDU) zu ihrer Präsidentin. Bergmann-Pohl, Süßmuth und die Abgeordneten der Volkskammer bereiteten mit einem enormen Arbeitspensum den Weg zur Wiedervereinigung, die am 3. Oktober 1990 um 0 Uhr in Kraft trat.[21]
Süssmuth initiierte Reformen des Bundestags: Ihr Vorstoß, eine Diätenerhöhung auszusetzen, fand 1992 noch keine Zustimmung unter den Abgeordneten. Im März 1993 unterstützten allerdings alle Fraktionen ihren Vorschlag, die Anzahl der rund 660 Bundestagsmitglieder auf 500 zu senken.[22]
In ihre Amtszeit fielen auch nach 1990/91 historische Debatten und Entscheidungen im Deutschen Bundestag: u. a. die Festlegung Berlins als Bundeshauptstadt, die Abstimmung zur Verhüllung des Reichstages im Jahr 1994 und die Debatte zur Wehrmachtsausstellung im Jahr 1997.
Zwei Affären senkten ihre Popularität: Im März 1991 geriet sie im Zusammenhang mit der „Dienstwagen-Affäre“ in die Schlagzeilen. Ihr Ehemann habe, so der Vorwurf, den Fahrdienst des Deutschen Bundestages benutzt. Die Bundestagsverwaltung stellte die Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs fest.[23] Im Januar 1997 entlastete der Ältestenrat des Bundestags Süssmuth von dem Vorwurf, sie habe von 1993 bis 1996 die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung zu privaten Besuchen bei ihrer Tochter in der Schweiz genutzt.[24][25][26][27]
Nach der Bundestagswahl 1998 endete die Ära Kohl, und das erste rot-grüne Kabinett (Schröder I) kam an die Regierung. Die SPD stellte den Bundestagspräsidenten. Wolfgang Thierse wurde am 26. Oktober 1998 zu Süssmuths Nachfolger gewählt.[28]
Am 26. September 1985 wurde sie als Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit (ab 6. Juni 1986: Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit) in die von BundeskanzlerHelmut Kohl geführte Bundesregierung berufen. Nach ihrer Wahl zur Bundestagspräsidentin schied sie am 25. November 1988 aus dem Kabinett aus. Sie forderte einen möglichst weit gefassten Gesundheitsbegriff und wandte sich gegen die Aufhebung des kassenärztlichen Schutzes bei Abtreibung.
Konfrontiert mit AIDS, setzte sie als Vorbeugungsmaßnahmen insbesondere auf ärztliche Aufklärung und Beratung. Daneben propagierte sie gegen Widerstände in ihrer Partei die Verwendung von Kondomen zur Prävention. Kritisiert wurde sie dafür, dass ungeprüfte Medikamente für Bluter nicht zurückgerufen wurden. Zahlreiche Bluter in Deutschland waren durch ungeprüfte Medikamente mit HIV infiziert worden und starben. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, Der Spiegel (41/1987) sprach von 1500 bis 2200 mit HIV infizierten Blutern.[29] Als Gesundheitsministerin initiierte sie im Jahr 1987 die Gründung der Nationalen AIDS-Stiftung und unterstützte die spätere Fusion mit der Deutschen AIDS-StiftungPositiv leben im Jahr 1996. War sie zunächst als Vorsitzende des Stiftungskuratoriums tätig, ist sie heute deren Ehrenvorsitzende.
Über 27 Jahre war sie Präsidentin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes und setzte sich für die Erwachsenenbildung und das lebenslange Lernen ein. Seit 2015 ist sie Ehrenpräsidentin des Verbandes.[30]
Rita Süssmuth ist Mitglied im Beirat des Deutschen Solidaritätskomitee für einen freien Iran, das die Anliegen der Volksmudschahedin unterstützt. Auf journalistische Nachfrage wollte sie sich zu ihrer Rolle dort und den „Volksmudschahedin“ aktuell nicht äußern, in der Vergangenheit sagte sie, es gehe darum, sich für Frauenrechte, Freiheit und Demokratie im Iran starkzumachen[34]. Von 1997 bis 2019 war sie Vorsitzende des Kuratoriums der McDonald’s Kinderhilfe Stiftung.[35] Seit 2021 ist sie Mitglied des Kuratoriums der Adalbert-Stiftung sowie Beirätin im gemeinnützigen Analyse- und Beratungshaus PHINEO.[36] Des Weiteren schreibt das Ministerium für Kultur und Wissenschaft der Landesregierung Nordrhein-Westfalen seit 2021 den Rita-Süssmuth-Forschungspreis für exzellente Forschung mit Gender-Bezug aus.[37] Sie ist Vorstandpräsidentin des Vereins „EDUCATION Y - Bildung.Gemeinsam.Gestalten“ mit Sitz in Düsseldorf.[38] Süssmuth ist Ehrenmitglied im Zonta-Club Würzburg[39][40] und dem Verein Parité in den Parlamenten.[41]
2000–2002 Vorsitzende des Kosovo Democracy Team der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
2002–2004 Vorsitzende des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration.
2003 leitet sie die Wahlbeobachtung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) während der Wahlen zur siebten Staatsduma in der Russischen Föderation
Leitung der Wahlbeobachtung der OSZE in den USA; Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
September 2005 bis Januar 2020 Präsidentin der SRH Hochschule Berlin (ehemals OTA Hochschule), seitdem Ehrenpräsidentin
Von Januar 2006 bis Dezember 2023 war sie Präsidentin des Deutschen Polen-Instituts e. V., in Darmstadt. Ihr folgt als Präsident der ehemalige Bundesaußenminister Heiko Maas.
seit 2009 Vorstandsmitglied der Stiftung Genshagen
1964 Studien zur Anthropologie des Kindes in der französischen Literatur der Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung François Mauriacs (Dissertation, Münster)
1968 Zur Anthropologie des Kindes. Untersuchungen und Interpretationen. Kösel Verlag München
1985 Frauen – der Resignation keine Chance.Sammlung wissenschaftlicher und politischer Texte 1980–1985. Düsseldorf, Verlag Schwann, ISBN 978-3-590-18052-9
1987 Aids: Wege aus der Angst
1987 Frauenlexikon: Traditionen, Fakten, Perspektiven. Hrsg. von Anneliese Lissner, Rita Süssmuth, Karin Walter. 2. Aufl. 1989, Freiburg, Herder Verlag, ISBN 978-3-451-20977-2
1997 Eine deutsche Zwischenbilanz: Standpunkte zum Umgang mit unserer Vergangenheit. Aufsatzsammlung, Hrsg. Rita Süssmuth und Bernward Baule. Mit einem Vorwort von Roman Herzog. München / Landsberg am Lech, Olzog Verlag, ISBN 978-3-7892-9325-2
2000 Wer nicht kämpft hat schon verloren. Meine Erfahrungen in der Politik. München, Econ Verlag, ISBN 978-3-430-18905-7
2007 Dennoch: Der Mensch geht vor. Für eine Umkehr in Politik und Gesellschaft. Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-06451-2
2007 Bildung als globale Herausforderung. Zwei Statements – ein Gespräch zusammen mit Hermann Glaser, in: Robertson-von Trotha, Caroline Y. (Hrsg.): Kultur und Gerechtigkeit (= Kulturwissenschaft interdisziplinär/Interdisciplinary Studies on Culture and Society, Bd. 2), Baden-Baden 2007
2008 Migration und Integration: Testfall für unsere Gesellschaft. München, Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-24583-8
Reimar Oltmanns: Frauen an die Macht – Marie Schlei – Renate Schmidt – Irmgard Adam-Schwaetzer – Rita Süssmuth – Antje Vollmer. Protokolle einer Aufbruchsära. athenäums programm by anton hain, Frankfurt a/M, 1990, ISBN 3-445-08551-X.
Ilse Lenz: Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-14729-1.
Jürgen Mittag: Vom Honoratiorenkreis zum Europanetzwerk: Sechs Jahrzehnte Europäische Bewegung Deutschland. In: 60 Jahre Europäische Bewegung Deutschland. Berlin 2009, Seite: 12–28. Online (Memento vom 18. Januar 2012 im Internet Archive)
Johanna Klatt: Rita Süssmuth. Politische Karriere einer Seiteneinsteigerin in der Ära Kohl. Ibidem-Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8382-0150-4.
Anneliese Lissner, Rita Süssmuth, Karin Walter (Hrsg.): Frauenlexikon. Traditionen, Fakten, Perspektiven, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau; Basel; Wien 1988, ISBN 3-451-20977-2.
↑ursel sieber: „Sie hat sich nirgendwo durchgesetzt“. In: Die Tageszeitung: taz. 23. November 1988, ISSN0931-9085, S.5 (taz.de [abgerufen am 10. Oktober 2021]).
↑Luisa Hommerich: Endlich frei. Recherche-Serie zu den iranischen Volksmudschahedin und ihrer politischen Lobby in Deutschland. In: REPORTER:INNEN forum. ZEIT Magazin, 28. Oktober 2021, S. 13, 19, archiviert vom Original am 30. August 2023; abgerufen am 30. August 2023.
↑Cay Dobberke: „Männerfeinde sind wir nicht“. In: Der Tagesspiegel Online. 3. April 2014, ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 26. Dezember 2021]).
(Aus Gründen des konfessionellen Proporzes wurde die FU bis ins Jahr 1969 von jeweils einer katholischen und einer evangelischen Vorsitzenden geleitet.)