Tam (oder Tamas) Lin (auch Tamlane, Tamlin, Tambling, Tomlin, Tam Lien, Tam-a-Line, Tam Lyn oder Tam Lane genannt) ist eine Figur in einer legendären Ballade aus den Scottish Borders. Sie ist mit einem gleichnamigen Reel verbunden, der auch als Glasgow Reel bekannt ist. Die Geschichte dreht sich um die Rettung von Tam Lin vor der Königin der Feen durch seine wahre Liebe.[2] Das Motiv, einen Menschen zu gewinnen, indem man ihn durch alle Formen der Verwandlung hindurch festhält, findet sich in ganz Europa in Volksmärchen.
Die Geschichte wurde in zahlreichen Geschichten, Liedern und Filmen verarbeitet.
Sie ist als 39. Child Ballade und Nummer 35 im Roud Folk Song Index aufgeführt.
Die Ballade beginnt in den meisten Versionen mit einer Warnung vor Tam Lin, der entweder etwas aus dem Besitz oder die Jungfräulichkeit einer Frau nimmt, wenn sie durch den verbotenen Wald von Carterhaugh geht. Eine junge Frau, die in den unterschiedlichen Variationen der Ballade oft Janet oder Margaret heißt, geht nach Carterhaugh und pflückt dabei eine gefüllte Rose. Ihr erscheint der Elf Tam Lin, der sie fragt, warum sie ohne seine Erlaubnis gekommen sei und noch dazu etwas genommen habe, was ihm gehört. Sie antwortet, dass sie auf dem Weg nach Carterhaugh wäre, da sie das Anwesen von ihrem Vater erhalten habe und es ihr gehören würde. In den meisten Varianten geht Janet dann nach Hause und entdeckt, dass sie schwanger ist; manche Varianten greifen die Geschichte erst an dieser Stelle auf. Als sie nach ihrem Zustand gefragt wird, erklärt sie, dass der Vater ihres Babys ein Elf sei, den sie nicht im Stich lassen werde. Daraufhin bekommt sie in einigen Varianten die Information über ein Kraut, welches eine Fehlgeburt herbeiführen könne. In allen Varianten trifft sie Tam Lin erneut, als sie nach Carterhaugh zurückkehrt, um dort eine Pflanze zu pflücken. Dies ist entweder wie beim ersten Besuch erneut eine Rose oder das Kraut für die Abtreibung. Tam Lin stellt dabei ihr Handeln infrage.[2]
Entweder nach dem erneuten Aufeinandertreffen oder, in einigen Versionen, unmittelbar nach ihrer ersten Begegnung, die zu ihrer Schwangerschaft führt, fragt sie ihn, ob er mal ein Mensch gewesen wäre. Tam Lin enthüllt ihr, dass er, obwohl er einmal ein sterblicher Mann gewesen war, von der Königin der Feen in Carterhaugh eingesperrt wurde. Sie entführte ihn, indem sie ihn auffing, als er von seinem Pferd fiel.[3] Er erzählt Janet, dass die Feen an jedem siebten Halloween um Mitternacht einen der ihren als Zehnten der Hölle geben würden und er befürchtet, dieses Mal derjenige zu sein. Er bittet Janet um Hilfe bei seiner Befreiung und sie sichert ihm ihre Hilfe zu. Dann weist er sie an, zur Zeit der Entrichtung des Zehnten in den Wald zu kommen. Er würde in Begleitung zahlreicher Feenritter sein und er sagt ihr, dass sie ihn an seinem weißen Pferd erkennen werde. Janet müsse ihn von seinem Pferd herunterziehen, was sie zu derjenigen machen würde, die ihn dieses Mal „auffängt“, und müsse ihn festhalten: Er warnt sie, dass die Feen versuchen werden, sie dazu zu bringen, ihn fallen zu lassen, indem sie ihn in alle möglichen Bestien verwandeln würden, erklärt aber, dass keine dieser Formen ihr tatsächlich Schaden zufügen wird. Er würde schließlich die Gestalt brennender Kohle annehmen. Wenn dies geschieht, soll Janet ihn in einen Brunnen werfen, woraufhin er als nackter sterblicher Mann wieder auftaucht, den Janet verstecken müsse. Sie tut, was von ihr verlangt wird, und gewinnt dadurch ihren Ritter; obwohl ihr Erfolg die Königin der Feen verärgert und diese sich wünscht, sie hätte Tam Lin die Augen herausgerissen oder sein Herz durch einen Stein ersetzt, akzeptiert die Königin schließlich ihre Niederlage.[2][4]
In anderen Varianten soll Tam Lin der Enkel des Laird of Roxburgh, des Laird of Foulis, des Lord Forbes oder des Earl of Moray sein. Sein Name variiert auch zwischen Versionen: Tam Lin ist die häufigste, aber auch als Tom Line, Tomlin, Young Tambling, Tam-a-line und Tamlane ist er bekannt.
Die erste Aufzeichnung der Ballade stammt aus dem Jahr 1549, der Veröffentlichung des The Complaynt of Scotland, in dem The Tayl of the Ȝong Tamlene (‚Die Geschichte der jungen Tamelene‘) in einer langen Liste mittelalterlicher Romanzen erwähnt wird. Michael Draytons erzählendes Gedicht Nimphidia (1627) enthält eine Figur namens Tomalin, die ein Vasall und Verwandter von Oberon, dem König der Feen, ist. Robert Burns schrieb eine Version von Tam Lin basierend auf älteren Versionen der Ballade, die in James Johnsons Liedersammlung Scots Musical Museum gedruckt wurde.[5]
Die Geschichte erschien im 19. Jahrhundert unter verschiedenen Titeln in mehreren Märchenbüchern:
Francis James Child sammelte vierzehn traditionelle Varianten in The English and Scottish Popular Ballads im neunzehnten Jahrhundert.[2] Eine andere Ballade von Child, Burd Ellen and Young Tamlane, hat keine Verbindung zu dieser Ballade außer der Ähnlichkeit der Heldennamen.
Es existieren einige traditionelle Aufnahmen, welche von Schotten und Nordiren aufgenommen wurden, die sie durch mündliche Überlieferung erlernten. Eddie Butcher aus Magilligan, ein Irish Traditional Musician der Grafschaft Londonderry, kannte ein Fragment der Ballade, das im Irish Traditional Music Archive zu hören ist,[6] und Paddy Tunney aus Mollybreen in der Grafschaft Fermanagh sang 1968 eine Version für Hugh Shields.[7] In Schottland haben Duncan Williamson aus Auchtermuchty, William Whyte aus Aberdeen und Betsy Johnston aus Glasgow traditionelle Versionen aufgenommen, die beiden letzteren von Hamish Henderson.[8]
Zahlreiche Künstler haben das Thema aufgegriffen und moderne Versionen der Ballade vertont:
Künstler | Titel | Album | Erscheinungsjahr |
---|---|---|---|
Frankie Armstrong | „Tam Lin“ | I Heard a Woman Singing | 1984 |
Anne Briggs | „Young Tambling“ | Anne Briggs | 1971 |
Current 93 | „Tamlin“ | Tamlin | 1994 |
Daniel Dutton | „Tam Lin“ | Twelve Ballads | 2006 |
Fairport Convention | „Tam Lin“ | Liege & Lief | 1969 |
Archie Fisher | „Tam Lin“ | Big Bend Killing: The Appalachian Ballad Tradition | 2017 |
Bob Hay | „Tam Lin“ | Tam Lin and More Songs by Robert Burns | 2006 |
The Imagined Village (Benjamin Zephaniah, Eliza Carthy, et al.) | „Tam Lyn Retold“ | The Imagined Village | 2007 |
Bill Jones | „Tale of Tam Lin“ | Panchpuran | 2001 |
Alastair McDonald | „Tam Lin“ | Heroes & Legends of Scotland | 2007 |
Mediæval Bæbes | „Tam Lin“ | Mirabilis | 2005 |
Anaïs Mitchell & Jefferson Hamer | Tam Lin (Child 39) | Child Ballads | 2013 |
Pete Morton | „Tamlyn“ | Frivolous Love | 1984 |
Mrs. Ackroyd Band | „Tam Lin“ | Gnus & Roses | 1995 |
Ian Page | „Tam Lin“ | Folk Music of Scotland | 2008 |
Pentangle | „Tam Lin“ | The Time Has Come | 2007 |
Steeleye Span | „Tam Lin“ | Tonight’s the Night, Live! | 1992 |
Tempest | „Tam Lin“ | Serrated Edge | 1992 |
Tricky Pixie (Betsy Tinney, S. J. Tucker, Alexander James Adams) | „Tam Lin“ | Mythcreants | 2009 |
Mike Waterson | „Tam Lyn“ | For Pence and Spicy Ale (reissue) | 1993 |
Kathleen Yearwood | „Tam Lin“ | Book of Hate | 1994 |
Faun | „Tamlin“ | Pagan | 2022 |