Francis Carco (eigentlich François Carcopino-Tusoli, * 3. Juli1886 in Nouméa, Neu-Kaledonien; † 26. Mai1958 in Paris) war ein französischer Schriftsteller und Kunstkritiker. Als seine wichtigsten Romane gelten Jésus La Caille (1914), Les innocents (1916) und L’homme traqué (1922); sie spielen durchweg im Pariser Künstler- und Rotlichtmilieu.[1] Der legendäre Anstrich, den Pariser Stadtviertel wie Pigalle, Montparnasse, Quartier Latin bekamen, geht nicht unerheblich auf Carcos Darstellungen zurück.
Der Sohn eines aus Korsika stammenden französischen Gefängnisbeamten wuchs in Neukaledonien mit dem Kettenklirren der dortigen Strafkolonie auf. Seit 1897 lebte die Familie wieder in Frankreich. Nach zunehmenden Konflikten mit dem jähzornigen Vater versenkte sich der eigenwillige Junge sowohl ins kriminelle Milieu seiner Kleinstadt als auch in die moderne Poesie von Rimbaud und anderen. Seit 1910 in Paris, zog es ihn vor allem in die schäbigen Hochburgen der Prostituierten, Gauner und Bohémien. Als Lyriker wurde er „zum Mittelpunkt der Ecole fantaisiste, die ihre Inspiration in der Welt von Montmartre“ fand.[2] In den dortigen Nachtbars verdiente er auch Geld mit Gesangsauftritten.
Er freundete sich mit Künstlern wie Colette, Katherine Mansfield, Guillaume Apollinaire, Max Jacob, Amedeo Modigliani an. Bald zählte er durch seine Romane zu den auflagenstärksten französischsprachigen Autoren der Zwischenkriegszeit. 1937 wurde er Mitglied der Académie Goncourt. Nach seinem Schweizer Exil während des Krieges ließ er sich mit seiner Frau Eliane Negrin (Heirat 1936; sie stirbt 1970) erneut in L’Isle-Adam nieder.
Ab 1948 lebte er wieder in Paris, wo er 1958 an den Folgen von Parkinson starb. Seine letzte Ruhestätte findet er auf dem Cimetière parisien de Bagneux.
Carcos „Helden“ sind zärtlicher Regungen fähig, entgehen aber nie ihrem Zorn und ihrer Niedergeschlagenheit. Anlässlich der Neuausgabe von Jesus Schnepfe[3] 2002 ordnet Ina Hartwig den Autor zwischen Émile Zola und Jean Genet ein, denen er in Hinsicht des literarischen Niveaus allerdings nicht das Wasser reichen könne. „Insgesamt ist Carcos Prosa eher einfach gestrickt – viel wörtliche Rede, also Argot (der ins Deutsche übersetzt immer ein bisschen komisch klingt, aber das Dilemma lässt sich nicht umgehen), wenige reflexive Passagen. Völlig richtig wurde bemerkt, eine Sozialkritik läge ihm fern. Das spricht nicht gegen Carco. Aber manchmal vermisst man doch eine Transzendierung des bloßen Geschehens in andere Sphären. Eines der betörendsten Elemente dieser Prosa sind sicherlich die Wetter-Tableaus und schönen Lichtsituationen, die Carco immer wieder an den Rändern von Tag und Nacht entwirft: ‚Der Boulevard de Clichy streckte seine Baumreihen in den Oktoberhimmel, der mit zerplatzenden Wolken tief herabhing, Pfützen glänzten und auf dem engen Gehsteig in der Straßenmitte hasteten späte Passanten vorbei.‘“[4]
Im Artikel über Carcos Roman Rue Pigalle (1928) äußert Kindlers Neues Literaturlexikon in stilistischer Hinsicht ähnliche Vorbehalte, findet jedoch, „unter dem Charme des Lokalkolorits von Montmartre“ verberge sich durchaus soziale Kritik.[5]
↑Im letztgenannten Roman wird laut Kindlers Neuem Literatur Lexikon (München 1988) „realistisch, nüchtern, mit psychologischer Eindringlichkeit … das Schicksal eines Menschen geschildert, der sich immer stärker in einen Verfolgungswahn hineinsteigert und an diesem Komplex schließlich zugrunde geht.“