Gerhard Stoltenberg wurde als Sohn des evangelischen Pfarrers Gustav Stoltenberg und dessen Frau Christine, geb. Heinemann, in Kiel geboren.[1] 1944 wurde er als Marinehelfer zur Kriegsmarine einberufen. Nach der Kriegsteilnahme geriet er in Gefangenschaft. Danach bestand er 1949 an der Theodor-Mommsen-Schule in Bad Oldesloe das Abitur und begann ein Studium der Geschichte, Soziologie und Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Dort wurde Stoltenberg 1954 mit der Dissertation Der deutsche Reichstag 1871–1873. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Parlamentarismus im Fach Neuere und Neueste Geschichte promoviert, Doktorvater war Otto Becker. Stoltenberg arbeitete anschließend an der Kieler Universität als wissenschaftlicher Assistent bei Michael Freund am Seminar für Wissenschaft und Geschichte der Politik und hatte auch einen Lehrauftrag an der Pädagogischen Hochschule Kiel inne. Durch diese Tätigkeit war Gerhard Stoltenberg ein Kollege von Jochen Steffen, seinem späteren politischen Gegner. Nach seiner Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität Kiel mit der von Karl-Dietrich Erdmann begutachteten Arbeit Politische Strömungen im schleswig-holsteinischen Landvolk 1918–1933. Ein Beitrag zur politischen Meinungsbildung in der Weimarer Republik wurde er 1962 Privatdozent für Neuere Geschichte und hielt auch noch während seiner Zeit als Bundesminister ab 1965 dort Lehrveranstaltungen ab. 1965 sowie 1969/70 war er Direktor bei der Friedrich KruppGmbH in Essen.
Grabstätte von Gerhard Stoltenberg
Stoltenberg war evangelischen Glaubens, seit 1958 mit Margot Stoltenberg, geb. Rann, verheiratet und hatte zwei Kinder. Gerhard Stoltenberg blieb seiner Heimatstadt bis zuletzt verbunden und starb 2001 im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.[2] Sein Grab befindet sich auf dem Parkfriedhof Eichhof in Kronshagen bei Kiel.[3]
Stoltenberg beim Bundesparteitag 1971 in Düsseldorf
Seit 1947 war Stoltenberg Mitglied der CDU. Von 1955 bis 1961 war er Bundesvorsitzender der Jungen Union. 1955 wurde er stellvertretender Vorsitzender, von 1971 bis 1989 Landesvorsitzender der CDU in Schleswig-Holstein. In dieser Funktion kam es nach seinem Eintritt in die Bundesregierung unter Helmut Kohl 1982 zu wachsenden Spannungen mit Uwe Barschel, seinem Nachfolger als Ministerpräsident.
Seit 1969 war er stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und gehörte dem CDU-Präsidium an.
Von 1954 bis 1957 sowie von 1971 bis 1982 war er Mitglied des Landtages von Schleswig-Holstein. Von 1954 bis 1957 war er stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Jugendfragen. Ab 1971 vertrat er den Wahlkreis Eckernförde im Landtag, in dem er auch seinen Wohnsitz hatte.
Gerhard Stoltenberg zog bis 1969 stets als direkt gewählter Abgeordneter des WahlkreisesSchleswig – Eckernförde und ab 1983 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Rendsburg-Eckernförde in den Bundestag ein. Bis zu seiner Ernennung als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident war er auch in Eckernförde wohnhaft.
Stoltenberg nahm an sämtlichen Bundespräsidentenwahlen zwischen 1959 und 1999 teil. Er gehörte den Bundesversammlungen als vom Schleswig-Holsteinischen Landtag gewähltes Mitglied und sonst stets in seiner Eigenschaft als Mitglied des Deutschen Bundestages an.
Sein geradliniger, analytischer, teilweise spröder Stil in Verbindung mit seiner Körpergröße brachte ihm Spitznamen wie „der große Klare aus dem Norden“ oder „der kühle Klare aus dem Norden“ ein.[4][2][5][6]
Nach der Bundestagswahl 1969 schied er am 21. Oktober 1969 aus der Bundesregierung aus.
Am 24. Mai 1971 wurde er zum Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein gewählt. In dieser Eigenschaft war er vom 1. November 1977 bis zum 31. Oktober 1978 Bundesratspräsident.
Nach der Bonner Wende wurde Stoltenberg am 4. Oktober 1982 als Bundesminister der Finanzen in die von Helmut Kohl geführte Bundesregierung berufen. Anlässlich einer Kabinettsumbildung wechselte Stoltenberg am 21. April 1989 in das Amt des Bundesministers der Verteidigung. Nach einer umstrittenen Waffenlieferung, insbesondere von Panzern an die Türkei, übernahm Stoltenberg die Verantwortung und gab am 31. März 1992 seinen Rücktritt vom Amt des Bundesministers der Verteidigung bekannt.[8][9]
1973: Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland[10]
1977: Großkreuz der Bundesrepublik Deutschland[11]
2001: Auszeichnung als Ehrenbürger des Landes Schleswig-Holstein für sein politisches Lebenswerk und die aktive Mitgestaltung der Gesellschaft und Politik nach dem Ende der Nazidiktatur. Die Verleihung fand am 24. Oktober 2001 statt.
Der deutsche Reichstag 1871–1873 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 7). Droste, Düsseldorf 1955. (Dissertation Kiel 1954)
Politische Strömungen im schleswig-holsteinischen Landvolk 1918–1933. Ein Beitrag zur politischen Meinungsbildung in der Weimarer Republik (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 24). Droste, Düsseldorf 1962. (Habilitationsschrift Kiel 1962)
Hochschule, Wissenschaft, Politik. 12 Beiträge (= Ullstein-Buch. Nr. 636). Ullstein, Frankfurt am Main 1968.
Staat und Wissenschaft. Zukunftsaufgaben der Wissenschafts- und Bildungspolitik. Seewald, Stuttgart 1969.
Schleswig-Holstein – heute und morgen. Möller, Rendsburg 1978, ISBN 3-87550-027-X.
Unsere Verantwortung für eine gute Zukunft. Ausgewählte Reden 1982–1986. Olzog, München 1986, ISBN 3-7892-7290-6.
Wendepunkte. Stationen deutscher Politik 1947–1990. Siedler, Berlin 1997, ISBN 3-88680-585-9.
Erinnerungen und Entwicklungen. Deutsche Zeitgeschichte 1945–1999 (= Edition Sh:z). Mittler, Hamburg 1999, ISBN 3-8132-0710-2.
als Hrsg.: Soziale Marktwirtschaft. Grundlagen, Entwicklungslinien, Perspektiven. Herder, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2001, ISBN 3-451-20260-3
Walter Henkels: 99 Bonner Köpfe, durchgesehene und ergänzte Ausgabe, Fischer-Bücherei, Frankfurt am Main 1965, S. 245 ff.
Hanns U. Pusch: Gerhard Stoltenberg Ein Porträt (= Persönlichkeiten der Gegenwart. Band 17, ZDB-ID 504376-1). Lutzeyer, Freudenstadt 1971.
Bernhard Vogel (Hrsg.): Gerhard Stoltenberg. Ein großer Politiker und sein Vermächtnis. Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin 2002, ISBN 3-933714-71-0, online
Ulrich Lappenküper: Geschichtsinteresse, Geschichtsverständnis und Geschichtsbild von Gerhard Stoltenberg. Ein Problemaufriss. In: Historisch-politische Mitteilungen. Archiv für Christlich-Demokratische Politik. Jg. 29 (2022), S. 5–26.