Als Prodrug (das oder die Prodrug),[1] auch Propharmakon, wird ein inaktiver oder wenig aktiver pharmakologischer Stoff bezeichnet, der erst durch Verstoffwechselung (Metabolisierung) im Organismus in einen aktiven Wirkstoff (Metaboliten) überführt wird.
Prodrugs sind dann bedeutsam, wenn der aktive Wirkstoff direkt verabreicht nicht oder nur geringfügig oder nicht selektiv genug den gewünschten Wirkort erreichen würde. Die Verwendung von Prodrugs zielt dabei hauptsächlich auf die Verbesserung pharmakokinetischer Stoffeigenschaften ab: Sie kann die orale Resorption oder Bioverfügbarkeit verbessern, den First-Pass-Effekt verringern oder einen Arzneistoff dazu befähigen, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren.
Ein Co-Drug (Mutual Prodrug) ist eine spezielle Form von Prodrug. Dabei handelt es sich um einen Arzneistoff, der im Körper in zwei oder mehr aktive Wirkstoffe umgewandelt wird. Beispiele dafür sind Fenetyllin und Sulfasalazin.[2]
Ein Beispiel für ein(e) Prodrug ist Levodopa, das Ausgangsstoff für die körpereigene Synthese von Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin ist. Levodopa wird als Prodrug zur Behandlung der Parkinson-Krankheit verwendet: Nach Passieren der Blut-Hirn-Schranke wird Levodopa zu Dopamin verstoffwechselt, das dann die eigentlich gewünschte pharmakologische Wirksamkeit entfaltet.
Weitere Beispiele
Co-Drugs
Eine eigene Form der Prodrugs bilden die sogenannten Resorptionsester. Man versteht darunter Verbindungen, die eigens zu dem Zweck synthetisch verestert wurden, um besser oder überhaupt erst resorbiert werden zu können. Die Veresterung verbessert die Lipophilie und erhöht die Resorption des Arzneistoffes über die Darmschleimhaut und damit seine orale Bioverfügbarkeit. Der unwirksame oder wenig wirksame Resorptionsester wird entweder bereits beim Durchtritt durch die Darmschleimhaut oder später im Plasma durch die vorhandenen körpereigenen Esterasen hydrolysiert, wobei wieder die pharmakologisch aktive Muttersubstanz entsteht.
Beispielsweise entsteht aus der virostatischen Substanz Aciclovir durch Veresterung ihrer Hydroxygruppe mit der Aminosäure Valin der Resorptionsester Valaciclovir. Das Fosamprenavir ist ein Resorptionsester des Amprenavir mit Phosphorsäure. Vereinzelt werden auch Steroidhormone mit einfachen Carbonsäuren wie Essigsäure, Valeriansäure oder Pivalinsäure zu besser resorbierbaren Derivaten verestert, wie z. B. Fludricortison-21-acetat, Cortison-21-acetat, Abirateronacetat, Estradiol-17-valerat, Prednisolon-21-pivalat, Dexamethason-21-pivalat usw.
Bestimmte Wirkstoffe mit Carboxygruppen können zu gut resorbierbaren Doppelestern vom Typ Acyloxyalkylester oder Alkoxycarbonyloxyalkylester umgesetzt werden. Dieses Prinzip wird z. B. bei oralen Cephalosporinen und Virostatika genutzt. Die Namen solcher Resorptionsester enden auf -xil oder -xetil. Das Affix davor, wie z. B. -pi-, -a- oder -pro- steht für die verwendete Säure.
Candesartancilexetil ist der Resorptionsester des AT1-Antagonisten Candesartan.[2]
Ein von McGuigan und seinem Team an der Cardiff University entwickeltes Prodrug-Konzept stellen die Aryloxyphosphoramidat-Prodrugs („ProTide“, prodrug nucleotide) dar. Hierbei handelt es sich um Nukleotide bzw. Nukleotidanaloga, deren Phosphat- oder Phosphonatgruppe durch einen Arylsubstituenten und einen Aminosäureester maskiert ist. Dadurch wird die passive Diffusion der Substanz durch die Zellmembran hindurch an ihren Wirkort erleichtert. Nukleotidanaloga sind typische Wirkstoffe in der antiviralen Therapie. Das bevorzugte Aminosäurenmotiv für ein „ProTide“ ist das L-Alanin, die Esterkomponente bilden kurze lineare (Methyl-, Ethyl-, Pentyl-) oder verzweigte Alkyl- (Isopropyl-, Neopentyl-) und Benzylgruppen. Als Arylkomponente werden üblicherweise Phenyl- und 1-Naphthyl- verwendet. Nach Aufnahme in das Zellinnere werden die Substituenten in mehreren Schritten enzymatisch abgespalten und das Nukleotid freigesetzt, das weiterhin zu den entsprechenden biologisch aktiven Di- und Triphosphatformen phosphoryliert wird.[3][4]
Beispiele für Aryloxyphosphoramidat-Prodrugs sind etwa Tenofoviralafenamid, Sofosbuvir und Remdesivir.